Andacht zur Jahreslosung 2022

Wer kommt, wird nicht abgewiesen

So ähnlich sagt es Jesus im Johannesevangelium. Für 2022 lautet die Jahreslosung so: „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Johannes 6, 37) Regionalbischof Friedrich Selter hat in seiner Andacht zur Jahreslosung im vergangenen Johannisboten das Gleichnis vom verlorenen Sohn gewählt, um zu sagen, was Jesus meint: Der auf der ganzen Linie gescheiterte Sohn kehrt nachhause zurück. Und sein Vater nimmt ihn mit Freude auf. In diesem Sinn verstehe ich auch dieses kirchliche MottoWort für dieses Jahr! Ich kann kommen und werde nicht abgewiesen. Wie oft wiederholt sich das, wenn etwa erwachsene Kinder nach einer 'Sendepause' nachhause zurückkehren. Es ist schön, willkommen zu sein!

Das Unwort des Jahres 2021 heißt „Pushback“, zu deutsch „zurückschieben“: Es beschreibt beschönigend, dass Menschen an der Grenze daran gehindert werden, in Europa überhaupt Asyl beantrage zu können. Sie sind dann nicht willkommen. Das ist Unrecht. So hat das „Abweisen“ in unserer Zeit auch einen politischen Aspekt. Wir Kirchen stehen dafür ein, dass unsere europäische Gesellschaft Fluchtgründe prüft und Menschen einlässt, die aus  Ländern kommen, die Ihre Heimat sind, die ihnen aber weder Schutz noch Auskommen bieten.

Denke ich an die Menschen in unserem Land, dann frage ich mich: Wer kommt schon, in dieser Zeit? Das ist keine geeignete Zeit für ein Wiedersehen! Vorsichtig sind die Menschen in Zeiten der Pandemie, manche regelrecht sozial gestört. Wie oft klingelt es in dieser Zeit an Ihrer Tür? Wie oft ruft sie jemand an oder nutzt die sozialen Medien für einen Kontakt? Das war, so meine ich, vor der Pandemie noch anders. Viele kapseln sich heute ein, kommen nicht raus.

Und gar zu Jesus kommen? Wer will das? Wer kann zugeben, so bedürftig zu sein, dass er sich einen Besuch bei Jesus wünscht! „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Ich glaube, dass dieses Wort dem Stil des Johannesevangeliums entspricht, in dem Jesus kurz zuvor sagt „Ich bin das Brot des Lebens! Wer zu mir kommt, der hat weder Hunger noch Durst!“ Aber wartet Jesus tatsächlich so lange, bis wir kommen? Da könnte er manchmal lange warten. Ich glaube, dass Jesus sich auch selbst auf den Weg macht, an unsere Türen klopft, wie seine Eltern an die Wirtshaustüren in der Weihnachtsgeschichte. Jesus will zu uns kommen! Ich glaube, dass die Kirche Jesu Christi auch in Zukunft eine Gemeinschaft sein wird, die andere aufsucht.

Das nicht aufdringlich, sondern wirklich einladend zu tun, das zu lernen, ist eine Aufgabe, in der man nie ausgelernt hat. Das passiert auch mir immer mal, dass ich vor einer Haustür oder einer Zimmertür in der Klinik stehe, klingle oder anklopfe. Und die Kontaktaufnahme stellt sich als mühsam heraus. Das gibt es. Viel häufiger ist aber das andere: Dass sich der Besuchte freut und darauf gewartet hat, seine Geschichte zu erzählen.

Soll ich die Jahreslosung also umschreiben? „Wer besucht wird, der öffnet gern!“ Das steckt ja auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn, dass der Vater besucht wird und sich freut. Vielleicht kann die Jahreslosung mit diesem  Zwillingssatz gelten: Ich komme zu  Gott und er besucht mich! 

Oder mit den Worten eines Gesangbuchliedes gesagt:

Ich bin, Herr, zu dir gekommen, komme du nun auch zu mir. 
Wo du Wohnung hast genommen, da ist lauter Himmel hier.
Zieh in meinem Herzen ein, lass es deinen Tempel sein. 

(Evangelisches Gesangbuch 166, 2)

Andreas Pöhlmann

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