Frieden schaffen, ohne Waffen
Mit diesem Spruch, auf einen Button gedruckt und an meine Jacke geheftet, bin ich als Jugendlicher auf die Straße gegangen. Ich habe ihn ganz bewusst als Christ getragen. Dieser radikale Pazifismus ist mir heute fremd geworden. Ich habe etliche Soldat*innen kennengelernt und verstehe ihren Beruf besser. Geblieben ist eine Zurückhaltung gegenüber dem Tragen von Uniformen. Dass ich Konfliktlösungen durch Verhandeln bevorzuge, ist klar. Ich weiß auch, dass Krieg viel zerstört und Menschen verletzt. Als letzte Möglichkeit darf ich Krieg aber nicht ausschließen. So wundert mich der chaotische Abzug der NATOTruppen aus Afghanistan. Ich verstehe nicht, warum nicht vor dem Abzug ganz geordnet alle Hilfskräfte in Sicherheit gebracht wurden. Ich verstehe auch nicht, dass wir alle dachten, ein Truppeneinsatz über viele Jahre könne die dortige Gesellschaft prägen. Soldat*innen sind doch keine Entwicklungshelfer. Sie sind zum Dienst an der Waffe geschult und setzen sie auch ein. Viele haben in Afghanistan ihr Leben gelassen und sind gefallen. Auf jeden Einsatz von Waffen der Bundeswehr in Afghanistan haben wir in den letzten 20 Jahren sehr kritisch geschaut. Ich glaube, dass wir alle dachten, das Kämpfen am Hindukusch sei Nebensache. Und wenn z.T. traumatisierte Soldat*innen aus dem Einsatz zurückkehrten, im öffentlichen Leben haben wir ihnen zuhause keinen Platz und
keine Anerkennung gegeben. Frieden schaffen, ohne Waffen – geht das? Zur Zeit der allgemeinen Wehrpflicht stand die Bundeswehr in der Mitte unserer Gesellschaft. Da war sicher nicht alles Gold. Zum Wochenende waren aber die Züge voll mit Wehrpflichtigen in Uniform. Die Bundeswehr war damit sichtbar. Jetzt haben wir eine Armee, bestehend aus Spezialisten, die immer wieder öffentlichem Spott ausgesetzt sind. Der Wehretat schrumpfte über viele Jahre, viele Fahrzeuge waren nicht einsatzbereit. Soldat*innen in Uniform sind aus der Öffentlichkeit fast ganz verschwunden.
Jesus hat uns mit seinem Gebot, unsere Feinde zu lieben, etwas für unseren Alltag aufgegeben. Mit dem Feind in der Nachbarschaft kann ich das versuchen, das ist schwer genug. Wenn eine Gesellschaft den Pazifismus gleichsam zum Staatsziel erklärt, ist sie naiv. Aus dieser Naivität wachen wir gerade auf, wenn wir auf Afghanistan schauen, das jetzt von Terroristen regiert wird, die nach 2001 möglicherweise nur in die ländlichen Räume zurückgedrängt wurden, nie aber das Land verlassen haben. Es ist zu hoffen, dass die veränderte Zivilgesellschaft in Afghanistan den Taliban jetzt Widerstand entgegensetzt. Die afghanische Armee, mit unseren Waffen ausgestattet, hat das nicht getan.
Andreas Pöhlmann