Wort zur Friedensdekade 2025
Dieses Wort des Apostels Paulus steht im Römerbrief (12,21). Mag diese Aufforderung auf den ersten Blick selbstverständlich, ja fast banal anmuten, widerspricht sie bei näherer Betrachtung doch zumeist unserer Erfahrung, nicht selten auch unserem eigenen Handeln.
Die dabei wohl am häufigsten anzutreffende Haltung ist jene, ‚Böses’ einfach zu ignorieren, weil man selbst davon nicht betroffen scheint. Ich erinnere da an das Pogrom von 1938, aber auch vielfältige Gewalt in unserer Gegenwart. Hilfe, Engagement und Achtsamkeit auf- und füreinander werden häufig schmerzlich vermisst, wenn es zu Gewalt z.B. in Zügen kommt. Ebenso verbreitet ist die Resignation angesichts der Zustände in dieser Welt, die in der Feststellung mündet, man könne ja doch nichts tun oder ändern.
Nicht selten wird ‚Böses’ aber auch so lange als unumgänglich erklärt und uminterpretiert, bis es als vermeintlich notwendiges Übel allgemein akzeptiert wird. Das gilt vielleicht sogar für den Umgang mit dem US-amerikanischen Präsidenten, aber auch vielen Despoten weltweit.
Angesichts des Missbrauchs in Gesellschaft und Kirche sind wir jedenfalls ganz direkt aufs Neue mit dem Bösen konfrontiert, das wir wie ich meine lange zu verdrängen versucht haben.
Aber zunächst einmal ganz kurz die Frage: Was ist das Böse eigentlich? Woher kommt es? In welchem Verhältnis stehen ‚sein’ und ‚handeln’ zum Bösen?
Die griechische Philosophie u.a. Platon definiert es als das ‚Nichtwissen des wahren Guten’, die klassisch-römische Auffassung maß es an Verhalten und Tat des Einzelnen. Immanuel Kant bindet den freien Willen an die moralische Pflicht und legte damit die Grundlage für das weit verbreitete, neuzeitliche Verständnis, leider teils mit fatalen Folgen.
Der Kirchenvater Augustin und in Folge auch Martin Luther definierten das Böse im Aufgreifen der Theologie eben des Apostels Paulus nicht als dem Einzelnen zweckdienliches Handeln gegen das moralisch Gute, sondern als Folge der Erbsünde, also der Verfehlung Adams und Evas in der Paradiesgeschichte. Das Böse wurzelt, ja ist schlechthin die Gottesferne und Abwendung von ihm und damit das Lebensfeindliche, das seither jedem Menschen eigen ist und sein Sein bestimmt. In und durch Christus wird dies aber aufgelöst, überwunden und damit das Böse auch im und durch das Handeln des Einzelnen im Alltag überwindbar. Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, - siehe: alles ist neu geworden!, schreibt Paulus im Korintherbrief.
Wo in diesem Sinne Neues geworden ist, muss es spürbar und sichtbar werden. Wo in dieser Weise der Himmel offen steht, hat die Welt ihre allein prägende Kraft verloren: Gutes wie Böses können beim Namen genannt werden und es bestehen Alternativen des Handelns. Die Herrschaft der Angst und der furchtsamen Unterordnung wird durch die Gewissheit des Geliebtwerdens gesprengt. Das befähigt den Menschen zum inneren und äußeren Aufrichten. Ein erneuertes Denken öffnet neue Horizonte. Doch will diese ‚Freiheit eines Christenmenschen’ eben auch gefüllt und gelebt werden.
Die Angst voreinander, vor dem Fremden, vermag auch trotz mancher vielleicht immer noch gemachter, enttäuschender Erfahrung das Grundvertrauen zueinander nicht zu zerbrechen. Neues Miteinander wird möglich; hier vor Ort und weltweit. Hoffnung, dass man doch etwas schaffen, verändern kann, überwindet resigniertes ‚sich raushalten’. Gestaltungskraft gewinnt gegenüber Konformismus.
Auch der Apostel wird konkret: Gastfreundschaft fordert er sogar einem Feind gegenüber, denn das werde ihn entwaffnen. Verzicht darauf, die anderen zu be- und zu verurteilen und in ‚Schubladen’ abzuschieben’ und mich über den anderen zu überheben, ist eine weitere Handlungsmaxime. Miteinander eines Sinnes zu sein, Gemeinsamkeit zu suchen und Frieden zu halten. Nicht nach Hohem zu trachten, sondern sich zu den Niedrigen zu beugen. All dies sind Wege, ‚dem Rad in die Speichen zu greifen’, wie es Dietrich Bonhoeffer gesagt hat und dem Lauf der Dinge eine gute Wendung zu geben.
Wichtige Vorsätze nicht nur für die Friedensdekade und gewiss eine Fülle von Möglichkeiten, unseren Beitrag zu leisten in Kirche und Gesellschaft. Und zu allem Tun möge Gott Ihnen Segen und Gelingen schenken.
Bleiben Sie behütet,
Ihr Joachim G. Cierpka